INTERVIEW


Politik mit Antrieb zur Veränderung – Matthias Gastel über Chancen und Möglichkeiten

Viele Wege führen in die Zukunft einer nachhaltigen Mobilität. Aus diesem Grund setzt IVECO je nach Anforderung auf unterschiedliche Konzepte: Neben Elektro- und Methanantrieben geht die Entwicklung durch die Kooperation mit dem US-Start-up Nikola Motors auch klar in Richtung Brennstoffzelle. Bundestagsmitglied Matthias Gastel begeistert sich seit vielen Jahren für dieses Thema und kennt die Sicht der Politik. Im nachfolgenden Interview steht er uns Rede und Antwort.


Matthias Gastel


Amt: Bundestagsabgeordneter der
Grünen, Kreis Nürtingen BW, seit 2013

Funktion:

  • In der Fraktion: Sprecher für Bahnpolitik
  • Im Bundestag: Ordentliches Mitglied (Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur) sowie stellvertretendes Mitglied (Ausschuss für Tourismus & Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft)

Herr Gastel, wie kommen Sie zu den Themen, die Sie verantworten, und wo kommt Ihr Interesse dazu her?
Gastel: Als gerade volljährig gewordener, umweltbewegter junger Mann stieß ich vor rund 30 Jahren zu den Grünen. In der Kommunalpolitik befasste ich mich über viele Jahre insbesondere mit Verkehrsfragen. Ich gestaltete ein völlig neues Buskonzept mit und war an den Planungen für die Verlängerung der S-Bahn in meinen Wohnort hinein beteiligt. Als ich in den Bundestag einzog, war schnell klar, dass ich in den Verkehrsausschuss möchte. In der Aufteilung der Verkehrsthemen fiel mir die Bahn zu, was gut passte, da mein Wahlkreis stark von Auswirkungen durch „Stuttgart 21“ geprägt ist. In meiner ersten Legislaturperiode war ich zudem für den damals neu liberalisierten Fernbusmarkt zuständig.

Man kann heutzutage nicht mehr – wie das mit Erdöl so einfach war – alle Transportaufgaben mit einem Antriebskonzept lösen. Wenn wir eine grobe Einteilung in „Stadt“ und „Fernverkehr“ machen: Was sehen Sie jeweils als Technologie bzw. Lösung für die Zukunft und welchen Antrieb sehen Sie führend und warum?
Gastel: Für unterschiedliche Fahrzeugarten werden in Zukunft unterschiedliche Technologien und Alternativkraftstoffe in Frage kommen. Für Autos und häufig auch für Nahverkehrsbusse wird der batterieelektrische Antrieb aufgrund seiner hohen Energieeffizienz die Nase vorne haben. Die Batterie wird im Hinblick auf den Ressourceneinsatz und die Energiedichte weitere Entwicklungssprünge machen müssen. Bei Reisebussen, Lastwagen und Schiffen kommen die Brennstoffzellen mit grünem Wasserstoff oder auch E-Fuels. Hierfür wird noch intensiv geforscht und entwickelt werden müssen: Brennstoffzellen müssen langlebiger und Wasserstoff sowie synthetische Kraftstoffe wirtschaftlicher als bislang hergestellt werden. Was wir auf jeden Fall brauchen, ist der Ausstieg aus der Kohleverstromung und der massive Ausbau der erneuerbaren Energien. Es kommt auf sauberen Strom in ausreichenden Mengen an. Der städtische Raum mit seinen relativ kurzen Distanzen ist prädestiniert für den Einsatz batterieelektrischer Fahrzeuge. Schon heute gibt es erste Anwendungsbereiche; bei degressiver Preisentwicklung und höheren Reichweiten wird sich der elektrische Antrieb hier mittelfristig durchsetzen. Im Fernverkehr ist aus heutiger Sicht beim Lkw das Rennen noch nicht entschieden. Auf langen Strecken müssen wir intermodale Transportketten zum Standard machen. Die elektrischen Güterbahnen übernehmen auf diesen Relationen den Hauptlauf und der elektrifizierte Lkw (mit Batterie) leistet die Feinverteilung. So kommen die Stärken beider Verkehrsträger voll zur Entfaltung und es entstehen durchgehend elektrifizierte Transportketten.

Es gibt mehrere Förderprogramme, die für potenzielle Käufer und Interessenten – gerade für KMUs ohne diesbezügliche Fachabteilungen – schwer durchschaubar bzw. nachvollziehbar sind. Plant die Politik hier eine Vereinfachung?
Gastel: Wir werden uns für eine Lichtung des Förderdschungels einsetzen. Auf Dauer müssen sich neue Technologien wirtschaftlich behaupten können. Dazu müssen aber die Preise für fossile Kraftstoffe die ökologische Wahrheit abbilden, was derzeit leider nicht der Fall ist. Eine stärkere CO2-Bepreisung ist daher die beste Förderung für neue Technologien – und nicht das Kreieren immer neuer Fördertöpfe.

Gibt es aktuell Überlegungen zu Förderungen – analog wie für Kommunen (Clean Vehicles Directive) –, die mit Blick auf eine flächendeckende Einführung auch für private Güterlogistik gelten?
Gastel: Die Clean Vehicles Directive ist ein starker Hebel, um die Dekarbonisierung des öffentlichen Verkehrs voranzutreiben. Ähnlich restriktive Vorgaben sind beispielsweise auch für die Citylogistik
denkbar, um die Grenzwerte für Luftschadstoffe einzuhalten und auch diesen Sektor schrittweise zu dekarbonisieren.

Alle Antriebsalternativen sind ein Infrastrukturthema: Es gibt zu wenig grünes Methan, kaum grünen Wasserstoff, grüner Strom könnte mit zunehmender Elektrifizierung auch knapp werden. Dennoch werden aktuell Fahrzeuge separat sowie ohne Rücksicht auf Ladeinfrastrukturen und weiterführende Energiekonzepte ausgeschrieben. Wäre es ein Mehrwert für öffentliche Einrichtungen und Anforderer, Ausschreibungen ganzheitlich und als Komplettlösungen aufzusetzen? Würden dadurch nicht auch Joint Ventures der Unternehmen untereinander gefördert werden?
Gastel: Die Bündelung von Energie- bzw. Fahrzeugkonzepten und der dazugehörigen Ladeinfrastruktur ist auf jeden Fall sinnvoll und es liegt auf der Hand, dass dadurch Synergien gehoben werden können.

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Wir kennen aus dem Bau von LNG-Tankstellen sehr aufwendige Genehmigungsprozeduren. Sollte man diese standardisieren und vereinfachen?
Gastel: Erdgas – in welcher Form auch immer – kann nur eine maximal mittelfristige Übergangslösung für einige Anwendungsfelder sein. Wichtig ist, dass Klarheit geschaffen wird, für welche Anwendungen welche Technologie vermehrt zum Einsatz kommen soll. Dann macht hierfür eine Standardisierung Sinn.

Sehen Sie im Hinblick auf die Entwicklung von alternativen Antrieben Anforderungen an Hersteller oder haben Sie Tipps für sie? Wie verhält es sich auf der Ebene der Bus- und Logistikunternehmer?
Gastel: Als Politiker halte ich mich mit Ratschlägen an Unternehmen zurück. Ich glaube, dass inzwischen der Kurs der meisten Hersteller insofern stimmt, dass sie ihre Angebote an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben ausweiten und an den erforderlichen Reichweiten arbeiten. Hilfreich kann es sein, Komplettsysteme inklusive Ladeinfrastruktur anzubieten und den Vor-Ort-Service auszubauen.