Mit dem IVECO Camper in den Ruhestand
Der Schweizer Lorenz Becker ist seit nunmehr zehn Jahren mit seinem Wohnmobil, aufgebaut auf einem IVECO Daily, auf Reisen.
Im Ruhestand wollte Becker die Welt erkunden – davor war er Pfarrer von sechs katholischen Gemeinden und Dekan von St. Gallen.
„Lorenz unterwegs“ heißt seine Webseite, und das ist in diesem Fall ziemlich wörtlich zu verstehen: Seit 2011 ist Lorenz Becker auf Tour. Mit einem geräumigen Carthago-Wohnmobil auf Basis eines IVECO Daily. Das vielleicht nicht Besondere, aber Ungewöhnliche an Lorenz Becker: Im Leben vor der langen Reise war Becker katholischer Priester. Wobei die Vergangenheitsform nicht korrekt ist, denn wenn man einmal zum Priester geweiht wurde, bleibt man das sein Leben lang. Um es also präziser auszudrücken: Lorenz Becker hat 2011 sein Amt als Pfarrer aufgegeben, um im Ruhestand Zeit und Muße zu haben für seine Neugier auf fremde Länder, Menschen und vielleicht auch Abenteuer. Während sein Bischof wohl dachte, Pfarrer Becker würde sich mit Erreichen des Rentenalters nur für ein paar Monate oder allenfalls ein, zwei Jahre ausruhen von den Strapazen des Arbeitslebens und dann wie viele andere Priester auch in einer Pfarrei aushelfen, hatte der Schweizer anderes vor. Er wollte nur noch reisen, am besten bis ans Ende der Welt und wieder zurück und dann an ein anderes Ende der Welt. Das Unterwegssein hatte es ihm schon während seiner aktiven Zeit im Bistum St. Gallen angetan; hatte Becker Urlaub, reiste er gern, viel und weit.
Das nächste Ziel: Die Panamericana
Als der Geistliche im Ruhestand IVECO & YOU am Telefon von seinen Abenteuern berichtet, ist er gerade im Osten von Berlin, tags darauf will er zu einer Tour in die Vogesen aufbrechen, um dort den 80. Geburtstag einer Freundin nachzufeiern. Becker selbst wurde am Himmelfahrtstag 75. Zu Ostdeutschland hat der unternehmungslustige Schweizer eine besondere Beziehung. Während seiner Zeit im Priesterseminar knüpfte er verschiedene Brieffreundschaften mit ostdeutschen Katholiken. In der Folge besuchte der angehende Priester den Erfurter Bischof – Katholiken waren ja eine Minderheit in der DDR, Erfurt eine Enklave im protestantischen Umfeld. „Ich bin dann seit 1971 fast jedes Jahr in die DDR gefahren, da haben sich viele bleibende Freundschaften entwickelt,“ erzählt Becker. Er wuchs als jüngstes von acht Kindern in der Ostschweizer Ortschaft Vilters auf und war schon als kleiner Bub an der Religion interessiert, wie er sich erinnert. „Priester zu werden war für mich ein innerer Weg.“ An Ostern 1974 wurde er zum Priester geweiht, später leitete er 30 Jahre lang eine ökumenische Gemeinde in St. Gallen und war vor dem Ruhestand zuständig für sechs Pfarreien und Dekan von St. Gallen.
Becker muss in seinem Sprengel wohl sehr beliebt gewesen sein. Beiläufig erzählt er, dass zu seinem Abschied in St. Gallen 700 Leute kamen und ein Großteil von ihnen das am 28. April 2011 neu erworbene Wohnmobil inspizierte. Mit dem rollenden Heim begann der abenteuerlustige Geistliche erst einmal ganz vorsichtig, um sich an das Leben auf der Straße zu gewöhnen. Die Premieren-Tour führte ihn in die Dolomiten, danach tastete er sich bis zum Nordkap vor und erkundete in verschiedenen Schleifen Europa. 2014/2015 folgte eine 16-monatige Tour durch die USA (inklusive Alaska) und Kanada.
Später schloss sich Lorenz Becker dem Spezialisten Seabridge an, der Wohnmobilreisen in einer Form organisiert, in der man zwar in einer Gruppe und trotzdem allein ist. Der Veranstalter kümmert sich zum Beispiel um bürokratische Aspekte, Verschiffungen oder Carnets und entwickelt die Reiserouten. Die Tagesetappen absolvieren die Teilnehmer an einer Tour nach persönlichem Gusto, am Abend parkt man dann sein Wohnmobil auf dem vorgegebenen Park- beziehungsweise Campingplatz. „Allein hätte ich es schon aufgrund der Sprachbarrieren gar nicht geschafft, viele dieser Touren zu unternehmen,“ sagt Becker. Dank der logistischen Unterstützung fuhr er unter anderem bis in den Osten Russlands, die Mongolei, nach China, durch die Takla Makan und auf der Seidenstraße über die einst wichtigen und heute immer noch prächtigen Handelsstädte Samarkand und Buchara zurück bis nach Teheran und in die Türkei. 2019/20 kamen noch die südamerikanischen Länder Chile und Argentinien dazu. Eigentlich sollte es die Panamericana – also Südamerika einmal komplett der Länge nach – werden. Doch technische Probleme und die Corona-Pandemie zwangen Becker, die Reisegruppe zu verlassen und unter schwierigsten Umständen samt Wohnmobil in die Schweiz zurückzukehren. 283.000 Kilometer, gefahren zu einem großen Teil auf abenteuerlichen Straßen, stehen jetzt, nach zehn Jahren auf Achse, auf dem Tacho des IVECO Carthago-Wohnmobils, das für Becker zur Heimat geworden ist.
Ein Segen für die Zöllner
Mit vielen weitgereiste Menschen hat Becker gemein, dass er nicht „den schönsten Ort auf der Welt“ benennen kann. Es gibt viele Ecken der Welt, die ihn beeindruckt haben. Sucht ein reisender Priester bewusst nach spirituellen Orten, Klöstern oder Plätzen, die in irgendeiner Form mit Religion zu tun haben? Becker verneint die Frage: „Da bin ich wie jeder Tourist. Ich schaue mir viele der üblichen Sehenswürdigkeiten an oder was eben auf meiner Route liegt. Ich finde ja vor allem die Begegnungen mit den Menschen beeindruckend.“ Er ist überzeugt, dass persönliche Offenheit die Verständigung erleichtert und zum Kontakt mit den fremden Menschen führt, die in der Regel neugierig darauf sind zu erfahren, wer sich denn bis in die Gegend vorgewagt hat, in der sie leben. „Da kommt immer wieder die Frage, warum ich allein reise. Und wenn ich den Leuten erkläre, dass ich als katholischer Priester unverheiratet bin, ergeben sich daraus mitunter auch wieder interessante oder lustige Situationen.“ So wurde er schon gefragt, welche denn die richtige Religion sei, schließlich muss ein Geistlicher ja ein Experte sein in diesen Dingen. Seine Antwort darauf lautete: „Diejenige, die dir gut tut.“
Lachend berichtet Becker dann noch von einer kuriosen Episode, im Irgendwo an einer Zollstation: „Als die Zöllnerin, die mein Wohnmobil inspizierte, erfuhr, dass ich Priester bin, bat sie mich spontan, sie zu segnen. Das habe ich gerne gemacht – während die Frau genau auf der versteckten Box stand, in der ich verbotenerweise Obst und Gemüse mit in ihr Land brachte. Später kam dann noch ihr Kollege dazu, der wollte auch seinen Segen.“ Wenn es nicht anders geht, wird auch ein reisender Pfarrer zu einem kleinen Sünder.